Die Pianistin Gerlint Böttcher spielt zum Auftakt der Schlosskonzerte Königs Wusterhausen

Märkische Allgemeine, Antje Rößler, Fotografie © Norbert Vogel

Kaum wird es Sommer, laden allerhand Schlösser im Brandenburgischen zu Konzerten und Festivals ein. In Königs Wusterhausen steht zwar ein ehemaliges Jagdschloss von Friedrich Wilhelm I. – doch ein Festival gab es bislang nicht. Ab Sommer 2014 füllen die Schlosskonzerte Königs Wusterhausen diese Lücke, deren künstlerische Leitung Gerlint Böttcher übernimmt. Als „Ouvertüre“ gibt die in Eichwalde lebende Pianistin am Sonntag selbst einen Klavierabend.

Frau Böttcher, in Brandenburg gibt es jede Menge Sommerfestivals. Warum braucht man ein weiteres in Königs Wusterhausen?

Gerlint Böttcher: Das ist einfach ein toller, unverwechselbarer Konzertort. Als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal einen Klavierabend dort gab, war ich sofort begeistert. Das war ein schöner Frühlingstag: blühender Oleander, das verwunschene Schloss und ein Konzertsaal mit alter Fachwerkdecke. So entstand die Idee von einem kleinen Festival in historischer Umgebung.

Ziehen Sie das alleine auf?

Böttcher: Ich habe die künstlerische Leitung. Mein Mitstreiter ist Dr. Cord Schwartau als Geschäftsführer. Er ist jetzt im Ruhestand, war aber früher für die Industriepolitik des Landes Brandenburg verantwortlich und hat das Zentrum für Luft- und Raumfahrt am Schönefelder Kreuz aufgebaut. So etwas wie Sponsorensuche könnte ich allein gar nicht machen, weil ich die Beziehungen nicht habe.

Was interessiert Herrn Schwartau an diesem Projekt? Er kommt ja nicht aus dem Kulturbereich.

Böttcher: Als ehemaliger Wirtschaftsförderer des Landkreises Dahme-Spreewald interessiert er sich für die Region. Ihn reizt es, Visionen umzusetzen und Dinge auf die Beine zu stellen. Auf dem Gebiet der Musik ist er zwar Laie, aber ein höchst interessierter und begeisterter Konzertgänger. Seit einigen Jahren nimmt er auch Klavierunterricht. Er kann sogar gleichzeitig reden und Klavier spielen. Ein echtes Kunststück!

Was haben Sie beide bislang erreicht?

Böttcher: Wir stehen noch am Anfang, aber wir haben schon einige Partner gefunden. Wir sind das erste Festival, das vom „Freundeskreis Schlösser und Gärten der Mark“ unterstützt wird. Auch der Industrieclub Potsdam, der von Herrn Schwartau initiiert wurde, nimmt die Konzerte in seinen Veranstaltungskalender auf. Mit im Boot sitzen auch der brandenburgische Tourismusverband und die Evangelische Kirche Königs Wusterhausen.

Da geht es wohl eher um Marketing. Aber woher kommen die Finanzen?

Böttcher: Darum kümmern wir uns ab dem Sommer. In der ersten Saison fließen auch private Gelder ein. Und natürlich hoffen wir auf viele Besucher; in die Kirche passen sechshundert Leute.

Was ist für das erste Festival 2014 geplant?

Böttcher: Es wird sechs Konzerte geben, die wir mit Schlossführungen verbinden wollen. Zwei davon sind Orgelkonzerte, für deren Programmgestaltung Christiane Scheetz, die Kantorin der Schlosskirche, verantwortlich ist. Kammermusikkonzerte finden in den Kavalierhäusern statt, wo uns ein großer Bösendorfer-Flügel zur Verfügung steht. Starten wird das Festival mit einem Sinfoniekonzert; denn für ein Kammerorchester bietet die Kirche Platz genug.

Haben Sie schon ein bestimmtes Ensemble im Auge?

Böttcher: Ja, aber das ist noch nicht spruchreif. Wenn das klappt, werden wir vielleicht das Klavierkonzert von Schostakowitsch aufführen. Das spiele ich im Moment wahnsinnig gern. Ich bin damit vor kurzem auch im Rahmen des Deutschlandjahres in Rußland aufgetreten, das vom Goethe-Institut geleitet wird. Das Publikum ist dort vergleichsweise jung und sehr begeisterungsfähig. Zufällig habe ich eine Prüfung in einer Musikschule gehört. Das Haus war völlig marode, aber Fünfjährige haben beeindruckend gut gespielt – mit großen Schleifchen im Haar und leuchtenden Augen.

Haben Sie selbst fleißig geübt als Kind?

Böttcher: Auf Vorspiele und Prüfungen habe ich mich gut vorbereitet, aber sonst war ich auch manchmal faul und habe meine Eltern ausgetrickst. Sie haben in der Apotheke gearbeitet, und wenn sie abends nach Hause kamen, sagte ich einfach, ich hätte schon geübt. Meine Lehrerin an der Musikschule war nicht immer zufrieden mit mir. Dann hörte mich ein Pianist aus Frankfurt und schlug mir die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Berlin vor. Ich himmelte ihn ein wenig an und war mit einem Schlag wie besessen. Ich übte wie eine Irre, in jeder freien Minute.

Ihren ersten großen Auftritt hatten Sie als 15-Jährige mit dem Philharmonischen Orchester aus Frankfurt/Oder. Wie kam es dazu?

Böttcher: Ich bestand die Aufnahmeprüfung in der neunten Klasse und war eine der jüngsten Studentinnen. Meine Klavierprofessorin Renate Schorler hat mich dann auf das Konzert in Frankfurt vorbereitet. Ich war wahnsinnig aufgeregt. Aber es war ein tolles Erlebnis, zum ersten Mal mit einem Orchester zu spielen.

Heute geben Sie regelmäßig Konzerte; außerdem unterrichten Sie. Wie finden Sie da Zeit für das Festival?

Böttcher: Als Konzertpianistin reizt mich die andere Perspektive: selbst ein Programm zu gestalten und Musiker einzuladen. Schon jetzt ist allerdings der Aufwand größer als wir dachten. Aber wenn die „Ouvertüre“ vorbei ist, haben wir ja noch ein Jahr Zeit, das Festival vorzubereiten.

Worin besteht das Markenzeichen des Festivals?

Böttcher: Dicht beieinander gibt es zwei stimmungsvolle Konzertorte: Kirche und Kavalierhäuser. Wir sind also flexibel und können Kammermusik, Orgel- und Orchesterkonzerte veranstalten. Außerdem kann man Schlosspark spazieren und eine Schlossführung besuchen. Das gesamte Ensemble wurde vor etwa zehn Jahren denkmalschutzgerecht restauriert. Das geht von den Türklinken bis zu den Wasserhähnen.

Was spielen Sie am Sonntag als „Ouvertüre“?

Böttcher: Da das Schloss früher von Friedrich Wilhelm I. als Jagdschloss genutzt wurde, habe ich Beethovens Sonate mit dem Beinamen „Die Jagd“ ausgewählt. Zum Abschluss gibt es eine Prokofjew-Sonate, die mir auch sehr am Herzen liegt. Ich habe meine Diplomarbeit über Prokofjews Sonaten geschrieben. Dazwischen bringe ich kürzere Stücke: Liszt-Etüden, „Claire de lune“ von Debussy und das „Wiegenlied“ von Brahms in einer sehr virtuosen Bearbeitung.

Ein unbekannterer Name im Programm ist Jan Václav Voříšek. Diesem Komponisten haben Sie sich in den vergangenen Jahren intensiv gewidmet. Warum?

Böttcher: Das ist frühromantische Musik. Sehr hübsch, durchsichtig, verspielt und pianistisch unheimlich anspruchsvoll. Voříšek, der nur 34 Jahre alt wurde, ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten. Ich habe 2010 eine CD mit seinen Rhapsodien und Schubert eingespielt. Die beiden waren Zeitgenossen. Voříšek war einer der vielen böhmischen Musiker, die damals in Wien lebten.

Gespräch: Antje Rößler

 

Biografie Gerlint Böttcher debütierte als 15-Jährige in ihrer Geburtsstadt Frankfurt (Oder) als Solistin des Philharmonischen Orchesters. Zugleich begann sie ihre Ausbildung an der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“. Die mehrfache Preisträgerin internationaler Wettbewerbe gastiert auf Konzertpodien weltweit, unter anderem mit dem Konzerthausorchester Berlin und dem Philharmonischen Staatsorchester Halle. 2012/13 trat sie im Rahmen des vom Goethe-Institut veranstalteten Deutschlandjahrs in Russland auf. Mehrere Solo-CDs der Pianistin erschienen bei ars musici. Vor kurzem erschien ein Live-Mitschnitt des Klavierkonzerts Nr.1 von Dmitri Schostakowitsch mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim.» www.gerlintboettcher.de

 

INFO

Ouvertüre der Schlosskonzerte Königs Wusterhausen Gerlint Böttcher, Klavier Werke von Beethoven, Prokofjew, Brahms u.a. Sonntag, 2. Juni, 17.00 Uhr, Kavalierhäuser VVK: 16,50 Euro Wildau-Ticket im A10 Telefon 03375/551500 www.wildauticket.de Abendkasse: 20,00 Euro www.schlosskonzertekoenigswusterhausen.de