Gruppenbild mit Dahme

Tagesspiegel, Frederik Hanssen. Die Pianistin Gerlint Böttcher startet ein neues Klassik-Festival im Schloss Königs Wusterhausen.

Überraschung Nummer 1: Die Kavaliershäuser sind größer als das Schloss. Zwei lang gestreckte, klassizistische Gebäude mit roten Walmdächern rahmen das kleine Jagdrefugium Friedrich Wilhelms I. in Königs Wusterhausen. Ab 1713 ließ sich der Soldatenkönig die alte Burg südöstlich von Berlin umbauen, hier veranstaltete er mit hohen Militärs gerne seine „Tabakskollegien“. Hier unterzeichnete er aber 1730 auch das Todesurteil für Leutnant Katte, jenen Busenfreund seines Sohnes, mit dem der Kronprinz hatte desertieren wollen. Heute nutzt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten die historischen Räume des vorbildlich restaurierten Gebäudes als Museum.

Überraschung Nummer 2: Im Obergeschoss des westlichen Kavaliershauses gibt es einen Konzertsaal, prachtvoll ausgestattet mit Messingleuchtern, Ölgemälden, rostrot gestrichener barocker Balkendecke – und bequemen modernen Stühlen. Eine Treppe führt hinauf, deren Holzgeländer von versierten Kunsthandwerkern mit unechtem Marmor bemalt wurde, es gibt einen Kamin, der bei abendlichen Veranstaltungen auch angeheizt werden kann.

„Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Gerlint Böttcher. 2002 ist die Pianistin zum ersten Mal hier aufgetreten, da war sie gerade frisch von Berlin nach Eichwalde gezogen, eine Nachbargemeinde von Königs Wusterhausen. Zu dieser Zeit unterhält das Kulturamt der Stadt noch seine eigene Konzertreihe. Als die aus finanziellen Gründen eingestellt werden muss, beschließt Gerlint Böttcher, dort ein Festival auf die Beine zu stellen. Ihr Mitstreiter dabei ist Cord Schwartau, ein pensionierter brandenburgischer Beamter im Unruhestand, der als ehemaliger Leiter der Wirtschaftsfördergesellschaft Dahme-Spree und Wegbereiter des Luft- und Raumfahrtzentrums Wildau bestens in der Region vernetzt ist. Sehr viel Idealismus ist da im Spiel, und ebenso viel Begeisterung für den genius loci wie für die klassische Musik.

Mit fünf Konzerten starten nun Anfang September tatsächlich die „1. Schlosskonzerte Königs Wusterhausen“, im Kavaliers-Saal wie auch in der schönen Kreuzkirche vis-à-vis. Überraschung Nummer 3: Die künstlerische Leiterin drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern tritt nur ein einziges Mal auf, am Eröffnungsabend. Die übrigen Termine überlässt sie anderen Künstlern – mit dem Ziel, ein möglichst vielfältiges Programm anbieten zu können.

Gerlint Böttcher stammt aus Frankfurt an der Oder, wo sie bereits mit 15 Jahren als Solistin beim dortigen Orchester debütieren konnte. Zum Studium ging sie dann nach Berlin, bestand ihr Konzertexamen an der Eisler-Musikhochschule mit Auszeichnung. Seitdem führt sie das Wanderleben einer Freiberuflerin, reist für ihre Auftritte durch die Lande. Bei den Bad Homburger Schlosskonzerten lernte sie das Südwestdeutsche Kammerorchester kennen – und schätzen. Mit der Streicherformation aus Pforzheim spielt sie Beethovens 1. Klavierkonzert, dazu gibt’s Werke von Mozart und Tschaikowsky.

Den zweiten Abend gestaltet Danjulo Ishizaka, einer der erfolgreichsten Cellisten der jüngeren Generation. Zusammen mit dem 1978 geborenen Pianisten Severin von Eckhardstein wird er Musik von Richard Strauss, Sergej Prokofjew, Beethoven und Kodaly interpretieren.

Von Cristina Marton kann man im Internet Youtube-Videos finden, in denen sie mit Martha Argerich Mendelssohns wunderbare „Sommernachtstraum“-Musik in der Fassung für zwei Klaviere spielt. Selbstverständlich steht diese Komposition auch am 13. September auf dem Programm, wenn Cristina Marton im Kavaliershaus mit Aglaia Bätzner vierhändig die 88 Tasten des Bösendorfer-Flügels traktieren wird. Es folgt ein Gastspiel des tschechischen Haba-Quartetts mit Werken von Schubert und Beethoven, bevor am 20. September dann die sechsköpfige Formation „Singer pur“ zum Finale ein A-cappella-Potpourri präsentiert, das vom Volkslied über die Romantik bis hin zu Pop und Jazz reicht.

Bei schönem Wetter lässt sich der Festivalbesuch bestens mit einem Spaziergang an der Dahme verbinden, jenem Nebenfluss der Spree, der die Stadt durchströmt. Oder man flaniert im barocken Schlosspark, der 1698 auf Wunsch von Kurfürstin Sophie Charlotte angelegt und im Jahr 2000 weitgehend historisch wiederhergestellt worden ist. Die Atmosphäre hier ist draußen ebenso verträumt wie märchenhaft. Königs Wusterhausen wartet nur darauf, als Konzertort wachgeküsst zu werden. Frederik Hanssen

Das Festival läuft vom 6.–20. September. Weitere Infos: www.schlosskonzerte- koenigswusterhausen.de

Quelle: http://www.tagesspiegel.de/kultur/schlosskonzerte-in-koenigs-wusterhausen-gruppenbild-mit-dahme/10623408.html

Foto: Dr. Lukas Meiners